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Ambivalenz des Lebens: Ulf Sauer im Interview

Ulf Sauer schildert, wie sein erster Kunstverkauf in Bonn seine Karriere startete. Seine „Großes Gelbes Reich“-Serie zieht Sammler mit kraftvollen Farbklängen und der Erforschung der Natur und kosmischen Kräfte in ihren Bann.

Wie kam es zum Verkauf Ihres ersten Kunstwerkes?

Das war noch in der Studienzeit. Damals hatten wir Studenten eine Ausstellung in einer großen Firma für Unternehmensberatung in Bonn und bestückten die gesamten Büroräume. Die Ausstellung hing dort schon einige Monate und die Firma gründete damals eine weitere Stelle in der Schweiz. Meine Bilder sind dem CEO aufgefallen und somit wurde ich angefragt. Es ging gleich um ein Konvolut von Bildern. Wir wurden uns einig und somit schmücken seitdem mehrere Bilder die Besprechungsräume der damals neuen Niederlassung in Zürich.  

(Foto: Mario Brand)

Was schätzen die Sammler Ihrer Werke am meisten an Ihrer Kunst?

Die häufigsten positiven Rückmeldungen beziehen sich auf meine Farbklänge. Aber auch die Formgebung mit ihrer Bewegungsgestalt werden des Öfteren bestaunt.  Insgesamt würde ich meinen, dass die Bilder eine assoziative Ebene öffnen und ungewöhnlich sind. Sie werden als inspirierend erlebt. „Wo haben sie all diese Ideen her“, ist eine Aussage, die ich immer wieder gehört habe und mich dadurch sehr geehrt und bekräftigt fühle.  

Was sind Themen besonderer Bedeutung, die Sie auch immer wieder in Ihrer Kunst behandeln?

Mein Überthema ist der Dualismus, die „Ambivalenz des Lebens“. Die Widersprüchlichkeiten in meinem eigenen Leben und in unserer Gesellschaft sind der Ursprung meines künstlerischen Schaffens. Darunter gliedern sich dann zwei weitere Themen. Das eine ist Natur. Die Leitfrage ist „Was ist natürlich?“ und wie verhalten wir uns Menschen im Verhältnis zur Natur. Auch kommt hier meine Faszination, wie wunderbar sie doch ist, zum Ausdruck. Mein zweites Hauptthema, welches entstanden ist aus der Arbeit an dem Naturthema, ist das Unfassbare und Geistige, was hinter all diesem zu sein scheint. Damit sind nicht die Gesetze der Physik oder Biologie allein gemeint, sondern die den Kosmos bildenden Kräfte, mit all seinen Seinsebenen und Erscheinungen.

Naturstück 4 – 80 x 120 cm

Können Sie uns ein wenig mehr über die „Großes Gelbes Reich“-Serie erzählen?


Der Werkbereich „Großes Gelbes Reich“ ist zu Ende meines Malstudiums entstanden und ebenso der Titel meiner Diplom-Arbeit aus dem Jahre 2003. Bis heute stellt dieser Arbeitsstrang einen wesentlichen Teil meiner malerischen Arbeit dar und ist mit über 300 Bildern auf Leinwand einer der umfangreichsten. Thematisch ist es immer der zuvor erwähnte Bezug zur Natur. Der Ursprung war dann 2002, als ich eine Imagination einer gelben Landschaft hatte. Diese war so ungewöhnlich, herrlich und kraftvoll, dass ich diesem Bild nachging. Ohne es kopieren zu wollen arbeitete ich den Naturbezug im Atelier immer weiter aus und bekam Klarheit für das Motiv. Daraus ist dann zuerst der Titel „Großes Gelbes Reich“ entstanden und später der Untertitel – Von der Naturgröße zur Naturbewegung – der inhaltlich unseren Umgang mit der Natur kritisch aufnimmt. Auch durfte das Gelb im Laufe der Zeit in den Bildern fehlen, sodass der Titel als imaginärer Ort aufgefasst werden kann, der mir eine Inspirationsquelle darstellt.

An welchem Punkt in Ihrem Leben haben Sie begonnen, sich als Künstler zu identifizieren?

Das war ungefähr Mitte der neunziger Jahre. Damals malte ich bereits sehr intensiv und zunehmend richtete ich mein Leben nach der Kunst aus. Vielleicht war es der Punkt, als ich zum Einwohnermeldeamt in Wiesbaden ging und einen Künstlernamen in meinen Pass eintragen ließ.

(Foto: Mario Brand)

Wie kommt es zu Ihren Ideen und wie entwickeln Sie diese?

Immer schon hatte ich die Haltung alles Mögliche (und Unmögliche) gedanklich zuzulassen; spielerisch und spinnert mit der Welt umzugehen. Als es dann konkreter um Ideenfindung im künstlerischen Bereich ging, kam mir zum einen diese Haltung zugute und zum anderen interessiere ich mich bis heute für die Geschehnisse der Welt. Eine Anreicherung der Ideen findet im Studium von Schriften und durch Achtsamkeit im Alltag statt. Dann bekomme ich einen klaren Impuls für einen Ansatz, ein Motiv. Mittlerweile ist es auch häufig so, dass ich im Atelier loslege, ohne ein bewusstes Motiv zu haben und mich auf die Entdeckungsreise begebe. Also, nichts wollen kann hilfreich sein, Verborgenes kommt dann zum Vorschein. Des Weiteren habe ich in den letzten 25 Jahren mehrere Werkbereiche entwickelt, auf die ich immer wieder zugreife und die jeweils ihren bestimmten Fokus haben. Grundsätzlich, um an diese Inhalte im Malprozess heranzukommen, genügen herkömmliches Sehen und Denken nicht mehr, sondern intuitives Handeln muss hinzukommen. Die entstandenen Bilder kann ich mir weder ausdenken, noch sind sie planbar. Nur der Malprozess kann diese offenbaren.

Welche Orte / Räume haben eine besondere Bedeutung in Ihrer Kunst?

Die Natur im Allgemeinen ist ein wichtiger Ort für mich. Sie inspiriert zum einen und zum anderen kann ich mich dort entspannen. Wie Goethe schon sagte „die Natur ist so angenehm, da sie nichts von einem will“ (sinngemäß wiedergegeben). Architektonisch interessante Räume, die mit besonderer Energie gefüllt sind, sind ältere Kirchen. Dort gibt es besondere, eingebundene Kunstwerke und die Architektur selbst ist noch von einem Geist beseelt, der uns heute überwiegend abhandengekommen ist. Kirchen waren ehemals Gesamtkunstwerke, wo in jedem Zentimeter des Baus das Geistige einfloss und zelebriert wurde. Zum Dritten ist es der geistig-seelische Raum selbst, den ich beherberge. Die innere Schau und Auseinandersetzung mit der Welt ist letztendlich der wichtigste Ort für mein künstlerisches Arbeiten.

Wilde Welt 1 – 120 x 140 cm, Acryl auf Leinwand, 2022

Umgeben Sie sich mit anderen Künstlern? Wie sieht Ihr Umfeld aus? Gibt es hier Menschen, die auf Ihre Kunst einen Einfluss haben?

In meinem näheren Umfeld befinden sich recht verschiedene Persönlichkeiten. Eine Bandbreite an Lebenssichten vereinigen sich hier. Eher ungewöhnliche Leute, die aber alle eine eigene Passion haben, also etwas im Leben bewirken wollen und in der Regel eher positiv und offen denken. Auch Künstler und Künstlerinnen befinden sich in meinem Umfeld mit denen ich im ständigen Austausch stehe.

Welche Rolle spielen Innovation und Tradition für Sie?

Beides ist wichtig. Tradition ist wie eine Lehrmeisterin und als Künstler möchte ich etwas Neues in die Welt bringen, was so noch nicht da war, sondern nur durch meine individuelle Arbeit zum Vorschein kommt. Zuerst sind alle Künstlerinnen und Künstler Suchende und Schüler und Schülerinnen. Die Auseinandersetzung mit Vorbildern ist insofern notwendig, will ich meinen eigenen Standort bestimmen und es schadet auch nicht, wenn ich die vorangegangenen Ideen und Ansätze in der Kunstgeschichte kenne. Schließlich ist Kunstgeschichte auch als Entwicklung des menschlichen Bewusstseins verstehbar und nicht nur eine Anhäufung von Daten. Das Studium von Vorbildern eignet sich weiter zur Technik-Schulung, aber noch wichtiger, zur Schärfung der Qualität und des Wahrheitsgehaltes der inhaltlichen Ebene von Kunst.    

(Foto: Mario Brand)

Gibt es ein Kunstwerk in Ihrem Leben, dass Sie besonders beeindruckt hat?

Ich nenne ihnen zwei, da wir eben von Tradition und Innovation sprachen. Zuerst Raffaels „Sixtinische Madonna“, welches in Dresden in der Gemäldegalerie hängt. Das Bild kannte ich von Abbildungen in Büchern und ebenso kennen sehr viele Menschen das herausgeschnittene Motiv der zwei Engel (Putten) am unteren Bildrand. Die zwei Engel sind millionenfach als Motive missbraucht worden, aber die wenigsten kennen deren eigentlichen Zusammenhang mit diesem Meisterwerk. Erst als ich vor dem Original saß und es mir länger betrachtete, öffnete sich mir dieses Werk und ich hatte das Erleben von positiver Energie und Öffnung der dahinterliegenden geistigen Kraft, was durch die Abbildungen in Büchern vorher nicht möglich war. Also, mein Tipp, gehen Sie in Ausstellungen und schauen sich die Originale an, dann kann wirkliche Offenbarung, Inspiration erfolgen.  

Ein zweites Werk, welches mich sehr beeindruckt hat, sind die Bilder des Malers Otto Ritschl aus seinem Spätwerk (ab ca. 1970), der in Wiesbaden lebte. Die Bilder haben keine herkömmlichen Titel, sondern sind mit dem Begriff Komposition, der Jahreszahl und fortlaufender Nummer benannt, wie „Komposition, 1971/1“ oder „Komposition, 1974/28“. Hier kann ich mich nur schwer für ein Lieblingsbild entscheiden, da diese Werke alle eine hohe geistige Verdichtung und Kraft besitzen. Kunst ist nun mal in seiner höchsten Form nichts Äußeres mehr, was nach Wohlgefallen bewertet werden kann.  

Was ist ihr Alleinstellungsmerkmal, mit dem Sie sich von anderen Künstlern unterscheiden?

Für mich ist besonders wichtig, dass die Werke authentisch und wahrhaft in Bezug zu einer inhaltlichen Ebene sind; sonst lasse ich sie nicht zu. Dann ist mir aber genauso wichtig, dass die Bilder visuell Interessantes und Neues zum Vorschein bringen. Am besten, dass ich selbst überrascht von ihnen bin. Beide Ebenen, die ästhetische und die inhaltliche müssen ineinandergreifen, um ein Bild abzuschließen. Diesen Vorgang kann ich nur im Malprozess entdecken, in einem Dialog mit dem Bild bzw. der dahinterliegenden Seinsebene. Somit bin ich zu der Bezeichnung „Elementare, kosmische Malerei“ für meine Bilder gekommen, da ich überwiegend im Ästhetischen eine elementare Formsprache benutze und inhaltlich das Kosmische, das Große und Ganze, berühre.

Naturkraft 3 – 170 x 70 cm

Haben Sie aktuelle oder zukünftige Projekte, über die Sie gerne sprechen möchten?

Aktuell arbeite ich an meinem neuen Werkbereich „Allianzen“, der seit letztem Jahr in die Sichtbarkeit kommt. Die ersten 25 Bilder aus 2023 möchte ich mit überwiegend großformatigen Bildern erweitern. Entstanden ist diese Serie aus einer inhaltlichen Notwendigkeit, die im Zeitgeist liegt und in dem Titel „Allianzen“ angedeutet wird. Weiter möchte ich die sogenannten „Japan-Works“ aufarbeiten, die während eines Japanaufenthaltes 2003/4 entstanden sind. Es sind Tusche-Arbeiten auf Papier. In den folgenden Jahren sind nach der Reise einige Bilder mehr entstanden; diese liegen ebenso in meinem Archiv und sind es sicher auch heute noch wert, veröffentlicht zu werden.

Weitere Informationen zum Künstler Ulf Sauer finden Sie hier:
www.ulfsauer.de

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